Studieren in Schweden – Studera i Sverige
oder Eating Sweets with the Swedes
Die einen wissen, dass sie im Ausland studieren wollen, noch bevor sie wissen, welches Studium sie wählen. Die anderen denken sich im letzten (Toleranz-)semester, dass es „eigentlich doch ganz spannend wäre mal aus Graz rauszukommen“. Die Frage, der sich dann alle Entschlossenen stellen müssen: Wohin?
Um eine Antwort darauf zu finden, gibt es verschiedene Taktiken:
Die Vorbildlichen orientieren sich daran welche Lehrveranstaltungen am besten zu ihrem Curriculum passen und widerstandslos angerechnet werden.
Die Experimentierfreudigen treffen ihre Entscheidung nach dem spannendsten und außergewöhnlichsten Lehrveranstaltungsangebot.
Die aus-ihrer-Komfortzone-Herauswollenden verbringen die Zeit am liebsten in einem Land, in dem sie die Sprache nicht verstehen und im Idealfall auch nicht lesen können.
Die ganz Schlauen werfen einen eindringlichen Blick auf weltweite Universitäten-Rankings.
Und die Entscheidungsfreudigkeit der Sonnenverliebten steigt mit jedem zusätzlichen Grad Celsius.
Nach sorgfältiger Abwägung aller oben genannter Methoden und ein bisschen Zufall, durfte ich im Sommersemester 2021 vier Module des Studienganges Peace and Development Studies am Department of Government an der ältesten Universität Skandinaviens der Universität Uppsala abschließen. Das Kleingedruckte im Learning Agreement begann allerdings mit „Online-Abhaltung der Lehrveranstaltung“ und endete mit „Distance Learning“.
Einige werden jetzt wohl enttäuscht sein, aber aus diesem Grund wird es hier keine exzessiven Lobreden über die architektonische Schönheit und Innengestaltung des Universitätsgebäudes geben. Aber ja… in den 2 Minuten, die ich darinnen verbracht habe, kann ich nur schließen:
Ist schon schön!
Trotz der weltweiten Subidealität in den letzten eineinhalb Jahren studiert zu haben, bin ich sehr froh darüber diese Zeit in einem schwedischen (virtuellen) Hörsaal verbracht zu haben und die Erfahrungen, die ich durch die Uni und durch das Land machen konnte, haben höchstens meine Motivation gesteigert ein weiteres Mal ins Ausland zu gehen oder gar meinen Master im Ausland abzuschließen.
Um zu erfahren warum das so ist und was realistische Erwartungen sind, die man an ein Auslandssemester in Schweden stellen kann…
Rund ums Studium:
Die vier beliebtesten Universitäten Schwedens sind die Universität Stockholm, Göteborg, Uppsala und Lund. Die weitaus kleineren Städte Uppsala und Lund sind eindeutig als Universitätsstädte erkennbar. Sofern Gebäude oder Straßen nicht zur Universität gehören, gehören sie zu einer Student Nation (schwedische Studierendenclubs) oder sind zumindest durch den Namen des Universitätsabsolventen und ehemaligen UNO-Generalsekretärs Dag Hammarskjöld als im-weitesten-Sinne-zur-Uni-gehörend gekennzeichnet.
In all diesen Städten gibt es das System der Student Nations. Sie unterscheiden sich nach Ursprungsort. So gibt es die Göteborg Nation, Stockholm Nation, Norrland Nation, etc. Es ist nicht Pflicht einer Nation beizutreten, aber die allermeisten Studierenden sind Mitglieder. Die Vorteile reichen von Unterkunftsangeboten zu gemeinsamen Ausflügen in den Norden Schwedens zu Bier um 10 SEK (= 1€).
Eines der Hauptziele der Nations ist es Studierende untereinander zu verbinden, sodass auch von manchen wöchentlich eine gemeinsame klassisch schwedische Kaffeepause (sw. fika) angeboten wird. Einer der ersten und wichtigsten schwedischen Phrasen, die man sich also merken sollte, ist: „Vill du fika?“, was in Schweden (aber auch wirklich nur in Schweden!) nicht als verbale sexuelle Belästigung eingestuft wird, sondern wohl am besten mit „Gemma an Kaffee trinken?“ oder als „Eating Sweets with the Swedes“ übersetzt werden kann. (Anm. der Redaktion: Die Autorin hat hierzu keine Hintergrundrecherchen betrieben, sodass diese These weder widerlegt noch bestätigt werden kann) Zu der klassischen Fika gehört dann meistens „en kopp kaffe“ (ein Tasse Kaffee) und „en kanelbulle“ (eine Zimtschnecke). Es kann mit hoher Wahrscheinlichkeit behauptet werden, dass in Schweden wohl mit Abstand die besten Zimtschnecken gemacht werden, was dadurch untermauert wird, dass mir noch im Nachhinein in Gedanken daran das Wasser im Mund zusammenläuft. Währenddessen ist der Kaffee für alle, die österreichisches Niveau gewöhnt sind, eher enttäuschend (Achtung! Nicht zu früh freuen, wenn es heißt: „free refill“)
Studium und Lehre:
An schwedischen Universitäten wird grundsätzlich eine Auslastung von 100% (=30 ECTS/Semester) erwartet, die nur in bestimmten Fällen unterschritten oder überschritten wird (z.B.: beim Abschließen eines schwedischen Sprachkurses für Erasmusstudierende).
Was hier zu beachten ist, ist dass, meistens mit zeitlich getrennten, aber inhaltlich zusammenhängenden Modulen gearbeitet wird. Das bedeutet man beschäftigt sich in etwa 4-5 Wochen lang, täglich mit einem Thema, schreibt jede Woche eine Zwischenarbeit und in der letzten Woche eine Abschlussprüfung (in ´Rona-Zeiten ein Take-Home-Exam, welches 2-4 Tage lang dauerte, wobei 3 literaturbasierte Essays zu den verschiedenen Themen verfasst werden sollten). Die Ergebnisse bekommt man dann nach einem Monat. In Schweden wird übrigens nicht mit einem Notensystem von 1-5 gearbeitet, sondern nur zwei oder eine positive Note vergeben. So wurden meine Prüfung nach dem System Underkänd (=Verfleckt), Godkänd (=Bestanden) und Väl Godkänd (mit Auszeichnung bestanden) benotet, was mehr Fokus auf besonders gute Leistungen legt und dazu anregt die Sinnhaftigkeit zu hinterfragen zwischen den Noten 2-4 zu unterscheiden. Sollte es organisatorische oder inhaltliche Fragen geben, bestehen oft Facebookgruppen oder Tutoriumsgruppen, wo man grundsätzlich sehr schnelle und hilfreiche Antworten bekommt. Außerdem stehen meist mehrere Lehrpersonen pro Modul zur Verfügung. Was im Umgang mit Lehrpersonal für uns „Sehr geehrte Frau Mag. Dr.“ und „Hochachtungsvoll“-Schreiblinge wohl am Anfang etwas befremdlich wirkt, ist das Duzen der Professoren und Professorinnen. Man schreibt also einfach „Hej Anders“, unabhängig davon wie viele Doktortitel vor dem Namen stehen.
Unterkunft:
Da die Lebenskosten in Skandinavien wie wohl bekannt, recht hoch sind, fällt Schweden mit 450€ Erasmuszuschuss/Monat in die höchste Zuschusskategorie. Damit sind im Regelfall zumindest die Wohnkosten abgedeckt, die zwischen 4000-6000SEK (=400€ – 600€/Monat) betragen. Die meisten leben in Studierendenwohnheimen mit teilweise über 1000 zur Verfügung stehenden 12-20m^2 Zimmern. Die Unterkunft besorgt man sich am besten über das Angebot der Universitäten selbst. (Achtung: First-Come-First-Serve!)
Damit kann die Frage des Wohin vielleicht immer noch nicht ganz beantwortet werden, aber zumindest ist eine neue Taktik zur Antwortfindung geschaffen worden:
Die Nicht-mehr-ganz-Verwirrten, die sich online Erfahrungsberichte durchlesen 😉